Im letzten Teil haben wir uns überlegt, wie wir ein periodisches Signal s mit Periodendauer T als Projektion der Summe rotierender Zeiger schreiben können:
,
wobei die Grundkreisfrequenz ist. Für die komplexen Amplituden haben wir
erhalten. Die Integrationsgrenzen sind dabei beliebig, solange immer über genau eine Periodendauer T integriert wird.
Obwohl sich die Schönheit der rotierenden Zeiger nur in der komplexen Sichtweise zeigt, bevorzugen manche eine rein reelle Rechnung. Nicht zuletzt deshalb, weil die Fourier-Reihe in vielen Büchern so angegeben ist. Persönlich finde ich jedoch, dass die Sache dadurch nicht schöner wird.
Aus komplex wird reell
Für können wir die komplexen Amplituden etwas ausführlicher schreiben:
wobei wir in der 2. Zeile die Eulersche Formel
und in der 3. Zeile verwendet haben. Die komplexen Amplituden sind also die komplexen Zahlen
. Die Vertauschung von a und b hat dabei historische Gründe.
Betrachten wir nun die einzelnen Summanden in unserer Reihe für s:
weil der Imaginärteil das ist, womit multipliziert wird.
Wie sieht es für aus? Einerseits gilt
,
weil ist. Andererseits ist für
,
weil ist. Daher ist
.
(Weil ist, folgt
.)
Mittels der reellen Koeffizienten
für können wir daher unser Signal als die reelle Summe
schreiben. Die Vermeidung komplexer Exponentialfunktionen haben wir uns durch die Verdopplung der Anzahl der benötigten Integrale erkauft. Außerdem lassen sich Exponentialfunktionen meistens leichter integrieren als Sinus- und Cosinus-Funktionen.
Unser Amplituden- bzw. Phasenspektrum aus Teil 2 erhalten wir dann mit
bzw.
.
Ein Beispiel
Im letzten Teil haben wir die komplexen Amplituden einer Rechteckschwingung (s. Abb. 1) berechnet, und gesehen, dass sie rein reell sind. Die sind daher alle gleich 0. Für die
gilt
Wir können dieses Signal also als
schreiben, wobei die Grundkreisfrequenz ist.
Die Animation in Abb. 1 zeigt, wie sich die Rechteckschwingung als Überlagerung reiner Sinus-Funktionen ergibt.

Dass für die Rechteckschwingung alle sind, ist kein Zufall.
Gerade und ungerade Funktionen
Die Cosinus-Funktion in Abb. 2 ist spiegelsymmetrisch um . Anders formuliert:
. Funktionen f mit der Eigenschaft
nennt man gerade Funktionen.

Die Sinus-Funktion in Abb. 3 hat eine andere Symmetrie: Dreht man sie um 180° um den Ursprung sieht sie auch wieder exakt gleich aus, d.h. sie ist punktsymmetrisch zum Ursprung: . Funktionen f mit der Eigenschaft
nennt man ungerade Funktionen.

Wenn eine gerade Funktionen als Summe anderer Funktionen geschrieben wird, müssen diese Funktionen selber wieder gerade sein. Daher gilt:
Für gerade Funktionen müssen alle Koeffizienten sein.
Entsprechend können in der Summe für eine ungerade Funktion auch nur ungerade Funktionen auftreten. Wenn wir allerdings eine ungerade Funktion etwas nach oben oder unten schieben, ist sie keine ungerade Funktion mehr, obwohl sich sonst an ihr nichts geändert hat. Es kann also sein. Daher gilt:
Für ungerade Funktionen (nach Abzug der Konstanten ) müssen alle weiteren Koeffizienten
sein.
Für diese Spezialfälle halbiert sich also die Anzahl der zu berechnenden Integrale wieder. Weil das Signal in Abb. 1 ganz offensichtlich eine ungerade Funktion ist, ist von vornherein klar, dass wir die gar nicht berechnen brauchen.
Die Koeffizienten für gerade und ungerade Signale
Für gerade und ungerade Signale gibt es noch eine weitere Vereinfachung. In der Formel für die kommt das Produkt
vor. Der Cosinus ist gerade und wenn auch das Signal s gerade ist, ist das ihr Produkt auch. Weil gerade Funktionen symmetrisch zu
sind, sind auch die Flächen links und rechts von der »y-Achse« gleich. Es reicht daher, die Fläche rechts von
zu berechnen und mit 2 zu multiplizieren.
Für gerade Signale ist daher
.
Interessanterweise ist für ein ungerades Signal s das Produkt mit der ungeraden Sinus-Funktion wieder gerade! Die obige Vereinfachung gilt daher auch hier.
Für ungerade Signale (nach Abzug der Konstanten ) ist daher
.
Diskussion
Setzt man in Fourier-Reihen spezielle Werte ein, kann man interessante Zusammenhänge erhalten.
Nehmen wir unser Rechtecksignal zur Zeit . Dort ist sein Wert offensichtlich gleich 1. Setzen wir diesen Wert in die Fourier-Reihe ein, ist
. Nun ist
,
,
,
, etc.
Daher muss
sein. Umgekehrt erhalten wir damit für die Summe der alternierenden Reihe
.
Weiter in Teil 5.