In den ersten beiden Teilen (Teil 1 und Teil 2) haben wir rotierende Zeiger addiert, deren Frequenzen jeweils ganzzahlige Vielfache der Frequenz des langsamsten Zeigers waren. Die Projektion des Summenzeigers führt zu einer periodischen Funktion, mit einer Periodendauer, die gleich der Periode des langsamsten Zeigers ist.
Jetzt drehen wir die Sache um: Wir haben eine reelle, periodische Funktion s (das Signal; um nicht wieder f für die Funktion und die Frequenz zu verwenden), deren Periodendauer gleich T ist. Entsprechend ist ihre Grundfrequenz und die Grundkreisfrequenz
. (Als Tauist verwende ich wie immer die Kreiskonstante
.) Dieses Signal s wollen wir als die Projektion der Summe rotierender Zeiger
schreiben.
Wie kommen wir nun zu den komplexen Amplituden ?
Leider sind die in den Klammern des Imaginärteils »gefangen«, und wir müssen sie da zuerst heraus bekommen. Es ist zwar
,
aber mit phasenverschobenen Sinusfunktionen lässt sich nicht so gut rechnen wie mit Exponentialfunktionen.
Das komplex Konjugierte to the rescue!
Von einer komplexen Zahl ist
der Imaginärteil. Die zu
konjugiert komplexe Zahl ist
. Geht man von einer zur anderen, muss man nur das Vorzeichen des Imaginärteils umdrehen; sie liegen daher spiegelsymmetrisch zur reellen Achse.
Wenn wir und
subtrahieren, bekommen wir
.
Für den Imaginärteil folgt daher
.
Das können wir auf die Summanden unserer Reihe anwenden:
In der 2. Zeile haben wir verwendet, dass komplex konjugieren und multiplizieren/dividieren vertauschbar sind (nachrechnen!). In der 3. Zeile haben wir verwendet, dass komplex konjugieren geometrisch ein Spiegeln an der reellen Achse ist. Dadurch ändert sich einfach das Vorzeichen des Winkels in der Exponentialfunktion. In der 4. Zeile haben wir dann verwendet, dass ist.
Von den komplexen Amplituden zu den Fourier-Koeffizienten
Definieren wir die Fourier-Koeffizienten als , können wir unsere Summe folgendermaßen schreiben
Der Term steht für einen mathematisch positiv (gegen den Uhrzeigersinn) drehenden Zeiger. Entsprechend steht der Term
für einen mathematisch negativ (im Uhrzeigersinn) drehenden Zeiger (s. Abb. 1).

Eine andere Interpretation ist, dass in unserer Summe
über positive () und negative (
) Frequenzen summiert wird. Damit hätten wir dann
Für reellwertige Funktionen s gilt dabei immer, dass
ist. Allerdings müssen wir dabei den Gleichanteil mit Frequenz 0 genauer betrachten. In der vorletzten Summe steht für :
, in der letzten für
aber nur noch
. Damit es wieder passt, müssen wir die Definition der Fourier-Koeffizient leicht abändern zu
Für negative k nehmen wir einfach das mit dem entsprechenden positiven k und drehen das Vorzeichen vom Imaginärteil um. Z.B. ist
. Für reellwertige Funktionen s ist der Gleichanteil immer reell, weil
ist.
Sehen wir uns das anhand der Rechteckschwingung aus dem letzten Teil an. Zur Erinnerung ist sie noch einmal in Abb. 2 gezeigt.

Der Betrag der komplexen Amplituden (s. Abb. 3) war indirekt proportional zur Frequenz f, und alle Phasen waren 0.

Das entsprechende Spektrum der Fourier-Koeffizienten zeigt Abb. 4. Die Beträge sind halb so groß wie die
, dafür haben wir »doppelt so viele«. Außerdem sind sie für die entsprechenden positiven und negativen Frequenzen gleich groß. Man spricht in diesem Zusammenhang auch oft von einem zweiseitigen Spektrum. Weil
ist, sind die Vorzeichen der Phasen von positiven und negativen Frequenzen umgekehrt.

Ist jetzt das Spektrum der komplexen Amplituden oder das Spektrum der Fourier-Koeffizienten das Spektrum? Die komplexen Amplituden passen besser zu einer Summe allgemeiner Sinus-Funktionen
,
weil ihre Beträge und Argumente
hier direkt vorkommen. Die Fourier-Koeffizienten können wir jedoch direkter erhalten (s. u.). Außerdem sind sie das Ergebnis einer Fourier-Transformation (wie wir in einem späteren Beitrag noch sehen werden). Da die beiden direkt miteinander zusammenhängen, ist es ein bisschen der Streit um des Kaisers Bart. Von Autor zu Autor können sich die Definitionen leicht unterscheiden, weshalb man jeweils nachlesen sollte, was genau gemeint ist.
Wo ist die Mitte?
Durch diese ganze Umformerei haben wir die komplexen Amplituden aus dem Imaginärteil befreit und sind zu den Fourier-Koeffizienten übergegangen:
Aber was hat das gebracht? Abgesehen von ist jeder Summand ein rotierender Zeiger, der in einer Periodendauer eine ganzzahlige Anzahl von Drehungen mit konstanter Geschwindigkeit um den Ursprung vollführt. Wenn wir die Werte eines dieser Zeiger über eine Periode zeitlich mitteln, bekommen wir die Mitte aller Punkte auf dem Kreis – den Mittelpunkt. Weil alle Zeiger um den Ursprung kreisen, kommt jeweils 0 heraus. Der Mittelwert einer Konstanten ist diese Konstante selbst; daher ergibt der zeitliche Mittelwert der rechten Seite über eine Periode nur
. Wenn wir auf der einen Seite einer Gleichung mitteln, müssen wir das auf der anderen Seite auch tun. D.h., der Koeffizient
ist einfach das zeitliche Mittel der Funktion s über eine ganze Periode:
Es ist dabei völlig unerheblich, wann wir mit der Integration beginnen – solange wir über eine ganze Periode integrieren. Meistens geht man von bis
oder nimmt die symmetrischere Version von
bis
. Die große Frage dabei ist, ob wir über eine unendliche Reihe einfach so mitteln dürfen. Für viele Funktionen lautet die Antwort ja, aber nicht für alle.
Und wie bekommen wir jetzt die anderen ? Um z.B.
zu erhalten, multiplizieren wir alles mit
. Weil bei der Multiplikation von Exponentialfunktionen nur die Exponenten addiert werden, wird der Faktor von
zu
Alle anderen Exponenten werden ebenfalls um reduziert. Dadurch bekommen wir
wo jetzt nur ohne Exponentialfunktion dasteht. Mitteln wir wieder über eine Periode, fallen alle anderen
weg und wir erhalten
Das Spiel können wir für jedes beliebige k machen und erhalten das symmetrische Paar
Sobald wir das für alle gemacht haben, sind wir fertig, weil wir für
nur noch komplex konjugieren müssen.
Unsere komplexen Amplituden können wir entsprechend mit
ausrechnen.
Ein einfaches Beispiel
Nehmen wir als Beispiel die allgemeine Rechteckschwingung aus Abb. 5. Das Signal »hüpft« alle halbe Periodendauern zwischen und
hin- und her.

Zur Berechnung der können wir von
bis
integrieren:
In der 2. Zeile haben wir das Integral auf die zwei Halbzeiten mit unterschiedlichen Werten aufgespalten. In der 3. Zeile haben wir konstante Faktoren vor die Integrale gezogen.
Exponentialfunktionen lassen sich sehr einfach integrieren:
Ober- und Untergrenze eingesetzt ergibt
weil ist.
Weil ist, können wir die verbliebenen Exponentialausdrücke folgendermaßen vereinfachen:
,
weil die Drehung des Einheitszeigers um wieder 1 ergibt:
.
Weiters
,
also
,
weil es egal ist, ob wir den Pfeil 1 um nach links oder rechts drehen, es kommt immer
heraus.
Damit erhalten wir
Für die komplexen Amplituden ergibt sich dann
Sie sind also rein reell und positiv – die Phase daher immer 0. In Abb. 2 wurde für gewählt, in diesem Spezialfall ist
und die Amplituden sind indirekt proportional zur Frequenz.
Diskussion
Die Grundidee war, die Fourier-Koeffizienten durch zeitliche Mittelwerte zu berechnen. Unter welchen Umständen man eine unendliche Reihe einfach so gliedweise integrieren kann, müssen wir uns noch überlegen.
Eigentlich wollte ich noch ein paar Beispiele mehr vorrechnen. Aber da der Beitrag ohnehin schon sehr lang war, muss ich das auf einen späteren Teil verschieben.
Weiter in Teil 4.