Die Prozentrechnung wird oft als schwierig befunden. Vielleicht auch deshalb, weil verschiedene Dinge miteinander vermischt werden.
Da ist zunächst einmal ein spezielles %-Zeichen. Aber das Einzige, was wir dazu wissen müssen, ist:
Das %-Zeichen ist die multiplikative Konstante 1 / 100 = 0.01 .
Rechnen mit dem %-Zeichen
Das heißt z.B.:
,
,
.
Umgekehrt ändert sich eine Zahl nicht, wenn wir sie mit multiplizieren. Z.B.
,
,
.
Mit dem %-Zeichen haben wir eine weitere Möglichkeit, ein und dieselbe Zahl unterschiedlich zu schreiben:
.
Grundwert, Anteil und Bruchteil
In einer Schule mit 1000 Schülern wird es mehr sehr gute Schüler geben als in einer Schule mit nur 330 Schülern. Diese Tatsache wird wenige verwundern. Ist die erste Schule also besser als die zweite? Um das zu beantworten beziehen wir die Anzahl der sehr guten Schüler (den Anteil A) auf die Gesamtzahl aller Schüler einer Schule (den Grundwert G).
Nehmen wir an, in der ersten Schule gäbe es 132 sehr gute Schüler und in der zweiten nur 43. Dann bekommen wir die Bruchteile (bzw. relativen Häufigkeiten)
und
.
Obwohl die absoluten Zahlen sehr guter Schüler sehr unterschiedlich sind, sind die Bruchteile fast gleich. Warum? Es gibt zwar ungefähr 3-mal so viele sehr gute Schüler in Schule 1 wie in Schule 2, aber auch ungefähr 3-mal so viele Schüler gesamt. Wenn wir Anteil durch Grundwert dividieren, kürzt sich dieser Faktor 3 weg.
Bei unterschiedlichen Grundwerten ist es also sinnvoller die Bruchteile zu vergleichen und nicht die Anteile (und selbst das kann schiefgehen).
Bruchteile können, müssen aber nicht in Prozent angegeben werden:
Es gibt de facto keinen Unterschied zwischen Bruchteil (relative Häufigkeit) und Prozentsatz – es ist dieselbe Zahl unterschiedlich hingeschrieben.
Sinnlos komplizierte Formeln
Wie schon bei der Winkelmessung gibt es auch hier viele Varianten derselben Formel, die genau dasselbe aussagen. Es reicht, sich z.B.
zu merken. Alle anderen Varianten folgen daraus durch Formelumformung.
Völlig sinnlos wird es, wenn dann noch durch dividiert oder mit
multipliziert wird, z.B.:
.
Das ist zwar gut gemeint, verkompliziert aber selbst die einfachsten Dinge.
Zu-/Abnahme
Ein Preis von 20 $ (das €-Zeichen ist in WordPress-LaTeX schwierig) wird um erhöht. Der Grundwert ist der Ausgangspreis
. Die Zunahme ist der Anteil
. Der neue Preis ist also
. Oder etwas anders geschrieben:
.
Zu den Ausgangspreis werden
davon dazu addiert. Wir haben daher
des Ausgangspreises, und
.
Wenn etwas um den Bruchteil p zu- bzw. abnimmt, müssen wir den Ausgangswert mit (1 + p) bzw. (1 – p) multiplizieren.
Wenn hintereinander Änderungen stattfinden, muss man aufpassen, dass sich die Grundwerte ändern. Wenn z.B. der Wert einer Aktie im 1. Jahr um zunimmt und im 2. Jahr um
abnimmt, um wie viel Prozent hat er sich dann insgesamt geändert? Die
-Zunahme bezieht sich auf den Ausgangswert, die
-Abnahme hingegen auf den Wert nach dem 1. Jahr. Wir haben also
und
,
wobei ,
und
die Werte zu Beginn, nach einem und nach zwei Jahren sind. Insgesamt also
In den zwei Jahren nimmt der Wert um das 0.008-fache des Ausgangswertes zu, also um .
Weil
ist, führt eine Preiserhöhung und anschließende Preissenkung um denselben Prozentsatz nicht zum Ausgangspreis zurück.
Netto- und Bruttopreis
Obige Ungleichung ist auch der Grund, warum der Netto-Preis nicht so einfach aus dem Brutto-Preis berechnet werden kann, wie umgekehrt.
Angenommen, eine Ware kostet netto und der Umsatzsteuersatz betrage
. Der Bruttopreis ist dann
.
Der Nettopreis ergibt sich jetzt aber nicht durch
,
sondern durch
.
Wenn ich zum Nettopreis addieren muss, dann muss ich
vom Bruttopreis subtrahieren, um das ursprüngliche Netto zu bekommen. (Ich habe den Umsatzsteuersatz so gewählt, dass einfache Brüche herauskommen.)
2018-06-25: Wenn wir des Nettopreises addieren müssen, um zum Bruttopreis zu kommen, dann müssen wir
vom Bruttopreis subtrahieren, um wieder zum Nettopreis zu kommen.
Mittlere Zu-/Abnahme (2018-08-21)
Der Wert einer Aktie ist in 3 Jahren um insgesamt gestiegen. Um wieviel hat sich ihr Wert im Mittel in einem Jahr geändert? Einerseits wird der Wert nach 3 Jahren mit 1.052 multipliziert, andererseits 3 Jahre lang jeweils mit x. Das führt auf die Gleichung
mit der Lösung . Im Mittel hat sich ihr Wert als jedes Jahr um
erhöht.
Der Wert einer anderen Aktie ist innerhalb von 4 Jahren um gefallen. Wir haben daher die Gleichung
zu lösen. Im Mittel hat sich ihr Wert jedes Jahr um verringert.
Absolute und relative Änderung
Die Masse eines leeren Autos betrage . Nachdem einige Personen eingestiegen sind, betrage die Gesamtmasse nun
. Die Differenz
ist die absolute Änderung. (Immer neuer Wert minus alter Wert.) Beziehen wir diese absolute Änderung auf den Ausgangswert, erhalten wir die relative Änderung
Die Masse hat also um etwa zugenommen.
Stimmenanteile
Die Partei X hat bei der letzten Wahl der gültigen Stimmen erhalten. Vier Jahre später waren es nur noch
. Das Problem bei diesem Vergleich ist, dass sich sowohl die Gesamtbevölkerung, als auch der wahlberechtigte Anteil, als auch der Anteil der gültigen Stimmen geändert haben. Wenn man nur diese zwei Prozentsätze hat, kann man prinzipiell nicht einmal sagen, bei welcher Wahl die Partei mehr Stimmen bekommen hat.
Um trotzdem von einer Wahl zur nächsten Veränderungen beschreiben zu können, benutzt man den Begriff des Prozentpunkts. In diesem Beispiel hat der Stimmenanteil der Partei X um -Punkte abgenommen.
Man muss sich klar machen, dass es keine Größe gibt, die mit diesen -Punkten sinnvoll multipliziert werden kann.
Diskussion
Das wirklich Schwierige an der Prozentrechnung ist, sich klarzumachen, was sind Grundwert und Anteil. Mein Mathe-Professor hat immer gesagt, man muss sich fragen, so-und-so-viel Prozent wovon?