Als HTL-Lehrer unterrichte ich Schüler ab dem 14. Lebensjahr. Davor ist im Mathematik-Unterricht schon einiges passiert – aus meiner Sicht ist nicht alles davon zum Vorteil der Schüler.
Die Mystifizierung des °-Zeichens und daraus folgende, unnötig komplizierte Formeln für Kreisbögen etc., habe ich schon angesprochen. Ähnliches gilt für die Prozentrechnung.
Hier soll es jetzt um die Bruchrechnung – speziell die Division durch Brüche – gehen.
Nicht wenige Schüler haben damit lange Probleme, und manche verstehen es bis zum Ende der Schulzeit nicht. Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei die Auflösung von Doppelbrüchen:
.
Viele Schüler lernen diese Umformung in der Unterstufe als »Außen mal Außen durch Innen mal Innen«. Dieser Merkspruch ist zwar mathematisch korrekt und auch sehr eingängig. Aber er verdeckt das Wesentliche.
Neutrale und inverse Elemente
Bei der Addition und Multiplikation gibt es Zahlen, die neutralen Elemente, die »nichts tun«:
Bei der Addition ist es die Zahl 0, bei der Multiplikation die Zahl 1. In Zusammenhang mit den neutralen Elementen stehen die inversen Elemente. Addiert man die Zahl und ihr additiv Inverses
, bekommt man wieder das neutrale Element 0:
.
Für reelle Zahlen ist garantiert, dass es zu jeder Zahl ein additiv Inverses – auch das Negative genannt – gibt. Zu ist
das Negative und zu
ist es
. Das Negative einer Zahl kann selber also negativ (kleiner 0) oder positiv (größer 0) sein.
Multipliziert man entsprechend eine Zahl mit ihrem multiplikativ Inversen
, erhält man wieder das neutrale Element 1:
.
Weil (aufgrund des Distributivgesetzes) und eben nicht
ist, gibt es zur Null keine multiplikativ inverse Zahl, zu allen anderen schon. Bei
Zahlen Brüchen wird das multiplikativ Inverse oft auch Kehrwert genannt, weil durch Umkehrung von Zähler und Nenner das Produkt
wird. Der Kehrwert von ist also
und der von
ist
.
Lösen algebraischer Gleichungen
Die Existenz der neutralen und inversen Elemente ist die Voraussetzung dafür, algebraische Gleichungen lösen zu können. Nehmen wir z.B. an, dass wir und
kennen, und wissen, dass
ist; wie können wir das ausrechnen, d.h. die Gleichung lösen? Wir müssen die Addition von
rückgängig machen. Dazu reicht es, das Negative
auf beiden Seiten obiger Gleichung zu addieren; wir erhalten dann
.
Für hat man die Abkürzung
eingeführt, und nennt sie Subtraktion.
Ähnliches gilt für die Multiplikation; wenn wir z.B. die Gleichung
nach lösen möchten, müssen wir die Multiplikation mit
rückgängig machen. Multiplizieren wir auf beiden Seiten mit dem Kehrwert
, erhalten wir
.
Für hat man als Abkürzung die Division
eingeführt.
Die Division durch eine Zahl ist exakt dasselbe, wie die Multiplikation mit ihrem Kehrwert.
Und das gilt natürlich auch für Doppelbrüche:
.
(2019-01-21) Der Hauptbruchstrich muss dabei immer auf der Höhe des Gleichheitszeichens stehen! Andernfalls erhält man ein völlig anderes Ergebnis:
Diskussion
Die Umkehrbarkeit von mathematischen Operationen ist eine schöne Sache. Wie im Leben ist es gut, dass man das, was man angestellt hat, wieder rückgängig machen kann. Und wie im Leben geht es leider nicht immer. Z.B. lässt sich die Multiplikation mit 0 nicht umkehren.
Diese Umkehrbarkeit ist eine wesentliche Eigenschaft von mathematischen Operationen, die weit über die Bruchrechnung hinaus geht. »Außen mal Außen durch Innen mal Innen« tut das nicht!
Man kann z.B. nicht durch eine Matrix dividieren, aber für manche quadratische Matrizen gibt es die inverse Matrix
, und
, die
-Einheitsmatrix.
Was immer z.B. die Funktion mit
mit dem armen
anstellt, die Umkehrfunktion
mit
macht es wieder gut (und umgekehrt):
und
.
Nicht jede Funktion ist so einfach umkehrbar; meistens muss man den Definitionsbereich einschränken. Z.B. lässt sich mit
nur für die nicht-negativen Zahlen durch
umkehren.
Auch Differenzieren und integrieren sind Umkehroperationen zueinander. Allerdings erhält man durch
die ursprüngliche Funktion nur bis auf eine additive Konstante
zurück.