Komplexe Zahlen, Teil 3 – die verwirrende Vielfalt algebraischer Darstellungen

In Teil 1 haben wir komplexe Zahlen als Pfeile in der Ebene kennengelernt. Mit Hilfe geometrischer Konstruktionen konnten wir mit diesen Pfeilen addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren. Zum praktischen Rechnen benötigen wir jetzt eine algebraische Darstellung mit entsprechenden Rechenregeln. Leider gibt es mehrere solche Darstellungen …

kartesische Darstellungen

Wie können wir einen Pfeil in der Ebene algebraisch beschreiben? Eine Möglichkeit zeigt Abb. 1, wo wir den Pfeil \underline{z} in seine Bestandteile entlang der reellen und imaginären Achse zerlegen.

kplx_reim
Abb. 1: Zerlegung einer komplexen Zahl in ihre Anteile entlang der reellen bzw. imaginären Achse.

Den Anteil entlang der reellen Achse nennt man den Realteil z_r von \underline{z}, geschrieben

z_r = \Re(\underline{z}) = \mathrm{Re}(\underline{z}) ,

den Anteil entlang der imaginären Achse nennt man den Imaginärteil z_i von \underline{z}, geschrieben

z_i = \Im(\underline{z}) = \mathrm{Im}(\underline{z}) .

Sowohl Real- als auch Imaginärteil sind gewöhnliche reelle Zahlen!

Diese Anteile müssen wir jetzt symbolisch wieder zur komplexen Zahl \underline{z} zusammenfügen. Die erste Möglichkeit ist einfach als

  • geordnetes Zahlenpaar: \underline{z} = (z_r, z_i) .

Eine weitere Möglichkeit ist in Abb. 2 gezeigt. Der Pfeil \underline{z} wird dabei als Summe des Pfeils z_r \cdot 1 entlang der reellen Achse und des Pfeils z_i \cdot \underline{i} entlang der imaginären Achse aufgefasst.

kplx_replusim
Abb. 2: Ein Pfeil kann auch als Summe zweier Pfeile entlang der reellen und der imaginären Achse aufgefasst werden.

Weil die Multiplikation mit 1 nicht angeschrieben werden muss, kann man \underline{z} dann schreiben als

  • algebraische Darstellung: \underline{z} = z_r + z_i\,\underline{i} .

Wenn man sich mit Matrizenrechnung auskennt, könnte man \underline{z} auch schreiben als

  • Matrixdarstellung: \displaystyle\underline{z} = \begin{pmatrix}z_r & -z_i\\ z_i & \phantom{-}z_r\end{pmatrix} .

Polardarstellungen

Eine andere Möglichkeit, komplexe Zahlen algebraisch zu beschreiben zeigt Abb. 3. Dazu benötigen wir die Länge des Pfeils \underline{z} – seinen Betrag \lvert\underline{z}\rvert – und seine Richtung \varphi = \arg(\underline{z}) – das Argument von \underline{z} – relativ zur positiven reellen Achse.

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Abb. 3: Eine komplexe Zahl lässt sich auch über ihre Länge und den Winkel mit der positiven reellen Achse beschreiben.

Der Einfachheit halber schränkt man die Richtung \varphi oft auf die Bereiche 0 \leq \varphi < 360^\circ oder -180^\circ < \varphi \leq 180^\circ ein. Wir werden in den Anwendungen sehen, dass dieser Winkel jedoch auch weit außerhalb dieser Bereiche liegen kann.

Die erste Möglichkeit als Polardarstellung ist die

  • Versordarstellung: \underline{z} = \lvert\underline{z}\rvert\angle\varphi .

In Teil 2 haben wir gesehen, dass ein Pfeil der Länge 1 in Richtung \varphi auch als e^{\underline{i} \varphi} geschrieben werden kann. Daher gibt es für komplexe Zahlen auch die

  • Exponentialdarstellung: \underline{z} = \lvert\underline{z}\rvert e^{\underline{i} \varphi} .

Ebenfalls in Teil 2 haben wir die Eulersche Formel e^{\underline{i} \varphi} = \cos\varphi + \underline{i} \sin\varphi kennengelernt, die die Exponentialfunktion mit den trigonometrischen Funktionen \cos und \sin verknüpft. Daher gibt es auch noch die

  • trigonometrische Darstellung: \underline{z} = \lvert\underline{z}\rvert(\cos\varphi + \underline{i} \sin\varphi) .

Umrechnung zwischen kartesischen und Polardarstellungen

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Abb. 4: Ein rechtwinkeliges Dreieck stellt den Zusammenhang zwischen kartesischer und Polardarstellung her.

Kennt man Länge und Winkel einer komplexen Zahl, folgt aus der Trigonometrie (s. Abb. 4) des rechtwinkeligen Dreiecks

z_r = \lvert\underline{z}\rvert\cos\varphi und z_i = \lvert\underline{z}\rvert\sin\varphi .

Kennt man umgekehrt Real- und Imaginärteil, sieht man leicht, dass

\lvert\underline{z}\rvert = \sqrt{z_r^2 + z_i^2}

(Satz des Pythagoras) und

\displaystyle\tan\varphi = \frac{z_i}{z_r}

ist.

Zusammenfassung

Für komplexe Zahlen gibt es also zumindest die folgenden Darstellungen

\displaystyle(z_r,z_i) = z_r + z_i\,\underline{i} = \begin{pmatrix}z_r & -z_i\\ z_i & \phantom{-}z_r\end{pmatrix} = \lvert\underline{z}\rvert\angle\varphi = \lvert\underline{z}\rvert e^{\underline{i} \varphi} = \lvert\underline{z}\rvert(\cos\varphi + \underline{i} \sin\varphi) .

Wie wir noch sehen werden ist die algebraische Darstellung \underline{z} = z_r + z_i\,\underline{i} für alle Grundrechenarten geeignet (s. Teil 5). Multiplikation/Division komplexer Zahlen lassen sich am einfachsten in Versor- oder Exponentialform durchführen, die für Addition/Subtraktion jedoch völlig unbrauchbar sind.

Ob man eher die Versor- oder Exponentialdarstellung bevorzugt, ist Geschmacksache. In der Wechselstromtechnik verwendet man meistens die Versorform.

Weiter in Teil 4.

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